Gibt es in einem Unternehmen eine große Entlassungswelle, müssen Arbeitnehmer einige Besonderheiten beachten. In welchen Fällen eine Kündigungsschutzklage sinnvoll ist, erklären wir in nachfolgendem Beitrag.

1. Bis wann ist bei Massenentlassung Kündigungsschutzklage zu erheben?

Unter einer Massenentlassung versteht man die gleichzeitige Kündigung vieler Arbeitnehmer, die aus betrieblichen Gründen erfolgt.

Wichtig: Eine Kündigungsschutzklage ist auch bei einer Massenentlassung möglich. Dafür gilt – wie bei jeder anderen Kündigung auch – eine Frist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung. Bis dahin müssen Sie die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht haben. Ist die Frist einmal verstrichen, gibt es keinerlei Chance mehr, die Kündigung anzugreifen! Bei einer Massenentlassung ist also schnelles Handeln gefragt, denn auch hier bestehen durchaus Aussichten auf eine erfolgreiche Klage.

2. Wann ist bei einer Massenentlassung eine Kündigungsschutzklage sinnvoll?

In der Regel gibt es bei einer Massenentlassung einen sogenannten Sozialplan. Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Sinn und Zweck des Sozialplans ist es, die wirtschaftlichen Folgen der Kündigungen für die betroffenen Arbeitnehmer abzumildern.

Auch wenn ein Sozialplan vorliegt, müssen Sie die Kündigung aber nicht akzeptieren: Eine Kündigungsschutzklage ist nämlich trotzdem möglich. Die Kündigungsschutzklage zielt in erster Linie darauf ab, dass Sie Ihren Arbeitsplatz behalten. In der Praxis enden Klagen aber auch häufig darin, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Vergleich schließen, der die Zahlung einer Abfindung beinhaltet.

Gibt es einen Sozialplan, wird dieser typischerweise auch die Zahlung von Abfindungen regeln. Hier lässt sich aber oftmals mit einer Kündigungsschutzklage eine höhere Summe erzielen als im Sozialplan vorgesehen.

Insbesondere in den folgenden Fallgruppen kann sich eine Kündigungsschutzklage lohnen:

a. Der Arbeitgeber hat Fehler beim Verfahren der Massenentlassung gemacht

Das Gesetz gibt bei der Massenentlassung verschiedene Besonderheiten für die Verfahrensweise vor, die der Arbeitgeber beachten muss:

  • Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit: Nach § 17 Abs. 1 KSchG muss der Arbeitgeber vor einer geplanten Massenentlassung die Agentur für Arbeit benachrichtigen, wenn die Kündigungen gewisse Schwellenwerte überschreiten, die sich nach der Gesamtzahl der Arbeitnehmer im Betrieb richten.

  • Unterrichtung des Betriebsrats: Im Zusammenhang mit der Anzeige muss der Arbeitgeber den Betriebsrat umfassend miteinbeziehen, vgl. § 17 Abs. 2 KSchG. Das heißt, dass er den Betriebsrat rechtzeitig und vollständig über die geplante Massenentlassung informieren muss.

Fehler bei diesen Verfahrensschritten kommen in der Praxis häufig vor. Die Einzelheiten des Verfahrens halten viele Stolpersteine für den Arbeitgeber bereit. Das ist zum Vorteil des Arbeitnehmers: Bei Fehlern sind die Kündigungen unwirksam.

b. Der Arbeitnehmer möchte einen schnellen Ausstieg aus dem Unternehmen

Haben Sie bereits eine neue Stelle in Aussicht, können Sie versuchen, mit dem Arbeitgeber eine höhere Abfindung zu verhandeln. Mitunter hat das Unternehmen ein Interesse an Ihrem möglichst frühzeitigen Ausscheiden und wird zu einem Entgegenkommen bereit sein.

Häufig enthält auch bereits der Sozialplan eine Klausel über eine sog. „Turboprämie“. Demnach kann ein Arbeitnehmer, der noch vor Ablauf der Kündigungsfrist das Unternehmen verlässt, eine höhere Abfindung beanspruchen.

c. Verdacht auf fehlerhafte Sozialauswahl

Der Arbeitgeber muss bei ordentlichen betriebsbedingten Kündigungen – und nichts anderes ist die Massenentlassung – eine sog. Sozialauswahl durchführen. Das heißt, dass er vorrangig den sozial stärkeren Arbeitnehmern kündigen muss. Zu gewichten sind folgende Kriterien:

  • Lebensalter

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit

  • Unterhaltungsverpflichtung

  • Schwerbehinderung

Haben Sie den Verdacht, Opfer einer fehlerhaften Sozialauswahl geworden zu sein, suchen Sie unbedingt einen Fachanwalt für Arbeitsrecht auf. Die Erfolgschancen einer Kündigungsschutzklage bzw. die Aushandlung einer Abfindung (die höher ist als im Sozialplan vorgesehen) sind hoch!

d. Der Arbeitnehmer hat besonderen oder tariflichen Kündigungsschutz

Bestimmten Personengruppen steht Sonderkündigungsschutz zu, der weit über den allgemeinen Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes hinausgeht. Zu diesen besonders geschützten Personengruppen gehören u.a.

  • Schwangere,

  • Eltern in Elternzeit,

  • Schwerbehinderte,

  • Auszubildende,

  • Betriebsräte und

  • Datenschutzbeauftragte.

Der Arbeitgeber muss vor einer Kündigung dieser Personengruppen teilweise die Genehmigung der zuständigen Behörde einholen (z.B. bei Schwangeren und Schwerbehinderten). In anderen Fällen ist die Entlassung nur wegen wichtiger Gründe möglich. Hier bestehen gute Erfolgschancen auf Weiterbeschäftigung oder eine (höhere) Abfindung.

Auch Arbeitnehmer, für die ein Tarifvertrag gilt, können sich oftmals bessere Chancen ausrechnen. Denn viele Tarifverträge sehen den Ausschluss der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung (ab einem bestimmten Alter) vor.

e. Der Arbeitnehmer kann in eine Transfergesellschaft wechseln

Manchmal sieht der Sozialplan auch vor, dass Arbeitnehmer in eine sog. Transfergesellschaft wechseln. Diese dient dazu, Arbeitnehmern (ggf. unter Weiterqualifizierung) bei der Suche nach einer neuen Stelle zu helfen.

Achtung: Es ist unzulässig, im Sozialplan ein Entweder – Oder zwischen Eintritt in die Transfergesellschaft oder Abfindung vorzusehen. Hier lässt sich unter Umständen eine höhere Abfindung erzielen.

f. Und wenn überhaupt kein Sozialplan besteht?

Wie erwähnt, ist ein Sozialplan bei einer Massenentlassung der Regelfall (vorausgesetzt, es gibt einen Betriebsrat). Besteht ausnahmsweise kein Sozialplan, wurden die Belange der Arbeitnehmer bei den Kündigungen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht genügend berücksichtigt. Es gibt allerdings auch Fälle, in denen ein Sozialplan nicht notwendig ist (s. etwa die Schwellen des § 112a BetrVG). Die Einholung von Rechtsrat ist in jedem Fall empfehlenswert.

3. Wann ist eine Kündigungsschutzklage nach einer Massenentlassung nicht sinnvoll?

Mitunter hat eine Kündigungsschutzklage aber wenig Aussicht auf Erfolg. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn es einen sogenannten Interessenausgleich mit Namensliste gibt und Sie auf dieser Namensliste geführt werden.

Wie der Sozialplan wird auch der Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat verhandelt. Der Regelungsgegenstand ist aber ein anderer. Ein Sozialplan zielt wie schon erwähnt darauf ab, die nachteiligen Folgen der Kündigungen für die Arbeitnehmer abzuschwächen. Ein Interessenausgleich betrifft dagegen die Massenentlassung selbst und regelt den genauen Ablauf. Das Gesetz verpflichtet zu Beratungen über einen Interessenausgleich – nicht aber zu dessen Abschluss. Manchmal sind die Verhandlungen erfolglos und es wird kein Interessenausgleich geschlossen.

Kommt es zum Abschluss eines Interessenausgleichs, einigen sich Betriebsrat und Arbeitgeber oftmals darauf, bestimmte Mitarbeiter auf eine Namensliste zu setzen. Diese Mitarbeiter sind quasi zur Entlassung vorbestimmt. Die Folge: Ihnen kann leichter gekündigt werden.

Die betroffenen Arbeitnehmer haben zunächst schlechte Karten. Eine Kündigungsschutzklage ist zwar auch hier möglich. Der Kündigungsschutz der Arbeitnehmer ist aber schwächer. In einem etwaigen Gerichtsverfahren muss der Arbeitgeber – anders als ohne Namensliste – nicht darlegen, dass aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung Arbeitsplätze dauerhaft wegfallen (sog. dringende betriebliche Gründe). Das Vorliegen solcher dringenden betrieblichen Gründe wird vielmehr von den Gerichten vermutet, d.h. schlichtweg angenommen. Zudem überprüfen die Arbeitsgerichte die durchgeführte Sozialauswahl nicht vollumfänglich, sondern nur auf schwerwiegende Fehler.

Dennoch: Eine Kündigungsschutzklage ist nicht automatisch aussichtslos, wenn Sie sich im Rahmen eines Interessenausgleichs auf der Namensliste wiederfinden. Abgesehen von den erwähnten schweren Fehlern bei der Sozialauswahl, kann eine Kündigung insbesondere in folgenden Fällen unrechtmäßig sein:

  • Fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats: Interessenausgleich und Namensliste ändern nichts daran, dass der Betriebsrat zu jeder individuellen Kündigung angehört werden muss.

  • Fehlerhafte Massenentlassungsanzeige: Bei einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige sind die betroffenen Kündigungen unwirksam, siehe dazu schon oben.

  • Neue Umstände: Es können sich auch die geschäftlichen Umstände seit dem Abschluss des Interessenausgleichs wesentlich geändert habe, z.B. wenn das Unternehmen einen neuen Großauftrag erhält, aufgrund dessen sich der Personalabbau erübrigt.

Zuletzt bleibt dem Arbeitnehmer noch der Versuch, im Gerichtsverfahren zu beweisen, dass die dringenden betrieblichen Gründe tatsächlich nicht vorliegen. Wie gesagt, wird das Vorliegen dieser Gründe zunächst vermutet, sodass der Arbeitgeber sie nicht darlegen muss. Es steht dem Arbeitnehmer aber frei, das Gegenteil zu beweisen, also dass dringende betriebliche Gründe überhaupt nicht bestehen. Dies wird allerdings selten gelingen, sodass diese Lösung nur in Ausnahmefällen denkbar ist.

4. Fazit
  • Für eine Kündigungsschutzklage im Zuge einer Massenentlassung gilt die „ganz normale“ Klagefrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung.

  • Ein Sozialplan schließt eine Kündigungsschutzklage nicht aus und Sie müssen sich auch nicht mit der Abfindung zufriedengeben, die Ihnen laut Sozialplan zusteht.

  • Eine Kündigungsschutzklage macht insbesondere in folgenden Fällen Sinn: Der Arbeitgeber hat Fehler bei der Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit oder der Sozialauswahl gemacht; Sie haben einen besonderen oder tariflichen Kündigungsschutz; oder Sie wollen das Unternehmen sowieso schnell verlassen und können ggf. sogar auf eine „Turboklausel“ im Sozialplan setzen.

  • Gerade wenn es keinen Sozialplan gibt, ist die zeitnahe Einholung von Rechtsrat unbedingt zu empfehlen.

  • Werden Sie im Rahmen eines Interessenausgleichs auf der Namensliste der zur Kündigung bestimmten Arbeitnehmer geführt, ist trotzdem noch nicht alles verloren. Im Einzelfall kann sich eine Kündigungsschutzklage dennoch lohnen, z.B. auch hier bei einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige.